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Zum Nachdenken: Die Schattenseiten der "Gig Economy"

Ein wirklich guter Nebeneffekt also Blogger ist es, dass man irgendwann eine gewisse Reichweite erzielt und damit auch eine durchaus beachtliche Anzahl von Menschen erreichen kann. Dies bedeutet natürlich auch, dass man diesen Menschen seine persönliche Sicht der Dinge ein Stück weit auf den Weg geben kann, was im Umkehrschluss aber auch eine gewisse Verantwortung mit sich bringt, denn wie hieß es doch schon so schön bei Spider-Man: "Aus großer Macht folgt große Verantwortung.". Nun liegt es mir fern, hier den großen Moralapostel zu spielen, dennoch gibt es hin und wieder Dinge, auf die man aus meiner Sicht durchaus mal hinweisen sollte. Und sei es, dass man damit nur ein paar wenigen Nutzern einen kleinen Denkanstoß gibt.

Aktueller Anlass ist ein Artikel aus der New York Times, den auch die Kollegen vom iPhone-Ticker aufgeriffen haben. Darin beschreibt der Autor Andrew Newman seinen Selbstversuch im Haifischbecken der Essenslieferanten auf Fahrrädern, die man inzwischen in Unmengen in den Städten dieser Welt antrifft. Die Erfahrungen, die er dabei gemacht hat, lassen sich mit nur einem Wort beschreiben: Erschütternd. Im Endeffekt werden die Kuriere zu Selbständigen, die mehr oder weniger das volle Risiko bei ihrem Job tragen. Durch das Anheuern von "Freelancern" sparen sich die Anbieter nämlich unter anderem teure Versicherungen, was für die Kuriere wiederum zum Boomerang wird, denn aufgrund der Konkurrenzsituation und des Zeitdrucks bei der Lieferung stürzen sich diese immer waghalsiger mit ihren Fahrrädern (und teilweise auch Autos) in das Verkehrsgetümmel.

In der Regel geschieht dies auch noch für eine miserable Bezahlung und zu teils abenteuerlichen Bedingungen seitens der Anbieter. Uber Eats beispielsweise verrät dem Kurier erst das Ziel seiner Lieferung, wenn er diese annimmt. Er weiß also im Vorfeld nicht einmal, wie weit er überhaupt zu fahren hat. Postmates gibt an, dass ein Kurier in New York City im Schnitt 18,50 Dollar pro Stunde verdient. Das klingt erstmal nicht schlecht, wenn man außer Acht lässt, dass es sich hierbei lediglich um Zeiten handelt, in denen der Kurier auch tatsächlich unterwegs ist. Wartezeiten auf einen Auftrag oder eine noch nicht fertige Lieferung werden hier nicht berücksichtigt. Noch dreister geht der Lieferdienst DoorDash vor. Hier werden sogar die Trinkgelder für den Kurier vom Anbieter eingesackt, wie ein Kurier aus eigener Erfahrung berichtet.

Doch die Lieferdienste sind nicht das einzige negative Beispiel aus der sogenannten "Gig Economy", wobei es sicherlich auch hier weiße und schwarze Schafe gibt. Spannend ist in diesem Zusammenhang nämlich auch das Geschäft mit den sogenannten "Juicern" oder "Chargern". Hierbei handelt es sich um Menschen, die nachts durch immer mehr Großstädte dieser Welt rennen und die dort abgelegten, momentan wie aus dem Boden sprießenden E-Scooter einsammeln, an einer Steckdose wieder aufladen und anschließend an einem vom Anbieter bestimmten Ort wieder aufstellen. Das folgende Video des Standard gibt einen kleinen Einblick in dieses Business.



YouTube Direktlink

Auch hier ist der Anbieter einigermaßen fein raus. Er muss sich weder darum kümmern, wo die Scooter abgelegt werden, noch um das Einsammeln, das Aufladen oder das spätere Wiederaufstellen. Auch hier kommen nämlich Freelancer zum Einsatz, die dies auf eigenes Risiko und auf eigene Kosten übernehmen. Und auch dies geschieht in den meisten Fällen unter miserabler Bezahlung, wie unter anderem die Berliner MoPo berichtet:

Laut einem Bericht der Tageszeitung „taz“ zahlt Lime vier Euro pro aufgeladenem Roller. Gegenüber der Zeitung beziffert ein Juicer die geschätzten Stromkosten pro vollständiger Ladung eines Akkus auf 30 Cent. Entsprechend bleiben Einnahmen von 3,70 Euro. Der Gewinn ist am Ende allerdings noch geringer, da der Juicer auch die Kosten für Benzin und Internet tragen muss und sein Einkommen als Selbstständiger zu versteuern hat. Bei Fehlern, etwa wenn die Roller zu spät wieder aufgestellt werden, reagiert Lime mit Strafen wie 50 Prozent weniger Bezahlung.

Ja, selbstverständlich wird niemand dazu gezwungen, diese Jobs zu machen. Allerdings sind gerade in den USA jede Menge Menschen auf einen zweiten oder dritten Job angewiesen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Ich möchte die Anbieter hinter den Diensten auch gar nicht verteufeln. Allerdings sollte jeder von uns vielleicht dann doch hier und da mal über die eigene Nutzung dieser Dienste nachdenken, über das, was alles hinter der ohne Frage komfortablen Lieferung des Essens oder den immer und überall zur Verfügung stehenden E-Scootern noch so steht. Und sei es, dass man dem Kurier das Trinkgeld das nächste Mal bar in die Hand drückt und nicht über irgendeine App irgendeines Anbieters.

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Kommentare

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Jan am :

Danke f\374r den Beitrag. Es ist wichtig, hin und wieder unser eigenes Handeln kritisch zu reflektieren. Etwaige Konsequenzen muss jeder mit sich selber ausmachen.

udo am :

Das mit dem Trinkgeld gilt ja auch im Restaurant beim bezahlen mit Karte auch dort sollte man das Trinkgeld in Bar an die Bedienung geben und nicht \374ber die Karte auch wenn das bequemer ist.

Hederich am :

Apple pay :-)

Stefan am :

Apple Pay hat jetzt hier mit dem Thema womit genau zu tun?

Ralf Bernhardt L\374beck am :

\ud83d\ude02 Der ist gut!

udo am :

Mit Kwitt funktioniert es da man damit auch an den Boten das Trinkgeld bargeldlos geben kann \ud83d\ude01

David am :

Leider ist es nicht nur in den USA so, mit den Lieferdiensten per Kurier. Auch hier arbeiten die meisten mittlerweile auf selbstst\344ndiger Basis, m\374ssen sich selbst krankenversicherern und tragen das volle Risiko, wenn mal was passiert. Verhindert werden soll damit unter anderem die Bildung von Betriebsr\344ten.
Das mit den einbehaltenen Trinkgeldern dient, zumindest in den USA, der Sicherung des zugesicherten Mindestlohns. Ich wei\337 allerdings nicht, ob es hier \344hnlich l\344uft, w\374rde mich aber nicht dar\374ber wundern. Deshalb soll man den Kurieren das Trinkgeld auch lieber Bar geben, da sie dann das Trinkgeld und den Mindestlohn bekommen \ud83d\ude09

Danke auf jeden Fall, f\374r diesen Blick \374ber den Tellerrand!!

Marco am :

Jep. Und gl\374cklicherweise gibt es bei uns noch eine weitgehende Versicherungspflicht.

Steve am :

Mensch Flo, wo ist die Umfrage?

#Ich gebe Trinkgeld bar
#Ich gebe Trinkgeld per App

Etc..

Hodor am :

Kann doch jeder selber entscheiden, ob er als Lieferant Arbeit. Es gibt genug Alternativen.

Marco am :

Alles klar, Christian Lindner. Wer das 2019 noch nicht verstanden hat...

jojo am :

\ud83d\udc4d top Artikel
Die wenigsten wissen wie es hinter den Kulissen l\344uft

Heinz am :

Ahnen
tun die meisten, wie es im Hintergrund l\344uft. Wissen wollen es die wenigsten.
Das gilt nicht nur f\374r die angesprochenen Themen, sondern bei vielem anderen, bei dem wir auf Kosten anderer leben.
Jeder Einzelne kann dazu beitragen, diese Ausw\374chse des Kapitalismus auszubremsen:
Man muss gewisse Sachen gar nicht unbedingt nutzen, bei anderen reicht es, das Trinkgeld in angemessener H\366he zu geben

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