Kommentar: "The Daily"
Am vergangenen Mittwoch mit einem extra einberufenen Presse-Event und viel Tam Tam gestartet, stellt sich nach ein paar Tagen Nutzung von "The Daily" eine erste Ernüchterung ein. Und dies geht offenbar nicht nur mir so, sondern auch einigen anderen Testern der ersten iPad-only Zeitung. Aber der Reihe nach. Der Start von "The Daily" war wie bereits erwähnt aufwändig inszeniert und gipfelte schließlich vergangene Nacht in einem 30 Sekunden langen und 30 Millionen US$ teuren Werbespot während der Halbzeitpause des Superbowls (siehe unten). Das Geld dürfte dem milliardenschweren Medienmogul Rupert Murdoch nicht weiter weh getan haben, wohl aber die aktuell immer lauter werdende Kritik an seinem jüngsten Projekt. War ich am Abend der Vorstellung noch recht angetan von Aufmachung und Konzept von "The Daily", macht sich inzwischen mehr und mehr Ernüchterung breit. Als Hauptproblem stellt sich dabei weniger der Inhalt oder das Konzept dar, als vielmehr die technische Umsetzung. Diese erweckt den Eindruck, als wollte man (vielleicht auch getrieben von Apple und dessen "In-App Abonnement"-Plänen) "The Daily" um jeden Preis zu diesem (wnn nicht sogar schon einen früheren) Termin auf den Markt bringen.
Startet man die App, wird man nach dem animierten Splash-Screen zunächst von einem Bildschirm empfangen, der einem mitteilt, dass nun die aktuelle Ausgabe der Zeitung heruntergeladen wird. Dies ist an und für sich auch so erstmal okay, schließlich will man ja mit den aktuellen News, verpackt in ein interaktives Kleid versorgt werden. Warum der Download der Ausgaben über eine gute DSL-Verbindung im WLAN aber über eine Minute dauert und man in dieser Zeit nichts weiter tun kann, als sich den blauen Ladescreen ohne Fortschrittsanzeige anzusehen, erschließt sich wohl den Wenigsten. Auch John Gruber kritisiert dieses Verhalten mit den drastischen Worten "Waiting is death". Als Alternative wäre es während des Downloadvorgangs zumindest wünschenswert, wenn man bereits auf die Online-Inhalte von "The Daily" zugreifen könnte.
Doch auch nach dem Download ist nicht alles Gold was glänzt. Denn wenn die Zeitung auf dem Display erscheint, ist das Laden von Inhalten noch nicht vorbei, wie eine (nun endlich sichtbare) Fortschrittsanzeige oben links zeigt. Beduetet folglich, dass immer noch nicht alle Inhalte zugreifbar sind. Hinzu kommen Performance-Probleme bei der Artikel-Navigation mittels der sogenannten Carousel-Funktion. Hier ruckelt und zuckelt es doch noch gewaltig beim "swipen" durch die einzelnen Stories.
Und last but not least wird man auch durchaus des Öfteren mit Abstürzen der kompletten App konfrontiert, die offenbar auf ein Problem mit der Speicherverwaltung zurückzuführen sind. Dies war übrigens, genau wie das ruckelige "Carousel", auch durchaus schon bei der Live-Vorführung auf der Präsentation zu beobachten, und es ist umso unverständlicher, dass ein Unternehmen wie News Corp. ein so unausgereiftes Produkt auf den Markt bringt. Und genau aus diesen drei Punkten (schlechte Ladezeiten, unperformante Bedienung, Abstürze) könnte ein Akzeptanz-Problem für "The Daily" entstehen. Momentan hat die einzige iPad-only Zeitung noch eben dieses Alleinstellungsmerkmal. Doch die Erfahrung hat gezeigt, dass User schnell die Lust an unausgereiften Apps verlieren und weiterziehen. In die gleiche Kerbe schlagen übrigens auch die Kollegen von PaidContent.org.
Will man aber auch noch etwas Positives ins Feld führen, so kann man hier durchaus auf die Inhalte von "The Daily" verweisen. Diese sind, auch wenn sie naturgemäß eher an den US-amerikanischen Leser gerichtet sind, durchaus angenehm zu lesen und in der Tat mit einer ganzen Menge interaktiven Möglichkeiten versehen. An Idee, Konzept und redaktionellen Inhalten kann man also wenig aussetzen, wohl aber an den oben angesprochenen technischen Unzulänglichkeiten. Hier muss dringend und schnell nachgebessert werden, wie auch die durchschnittlichen drei Sterne in der Bewertung im US-AppStore zeigen. Einem Blog-Eintrag vom Wochenende zufolge ist man sich bei "The Daily" der Probleme immerhin durchaus bewusst und verspricht ein Korrektur-Update "in den kommenden Wochen". Das von vergangener Nacht brachte jedenfalls noch keine wirkliche Besserung. Einen Ansatz, wie man zumindest die Performance-Probleme beim "Carousel" beheben kann, zeigt eindrucksvoll Loren Brichter (Entwickler der offiziellen Twitter-App) im unten zu sehenden Video. Da sieht man mal wieder, was ein talentierter iOS-Entwickler an nur einem Abend (verglichen mit den diversen Monaten, die das "The Daily"-Team hatte) auf die Beine stellen kann...
Kommentare
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Milan am :
Lost am :
meaipe am :
Franz am :
So war es zumindest in anderen Zeitungen zu lesen.
Cemoi am :
Tristan am :