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Kommentar: Das Forstall-Aus und seine Auswirkungen

Es ist ohne Zweifel die bislang tief greifendste Entscheidung, die Tim Cook in seiner bisherigen Amtszeit als CEO von Apple getroffen hat. Die personelle Umstrukturierung verschiedener wichtiger Geschäftsbereiche, die gestern Abend per Pressemitteilung publik gemacht wurde dürfte dabei richtungsweisend für den Kurs sein, den Apple in den kommenden Monaten und Jahren einschlagen wird. Prominentestes Opfer bei den Neubesetzungen ist zweifelsohne der bisherige iOS-Chef Scott Forstall, um den sich auch die meisten Diskussionen und Berichte seit des Bekanntwerdens drehen und dessen Ende bei Apple wohl auch größere Neuerungen und Änderungen bei zukünftigen iOS-Versionen nach sich ziehen wird. Forstall, der bereits als Apple CEO der Zukunft gehandelt wurde, galt als Ziehsohn von Steve Jobs. Gemeinsam mit dem ehemaligen CEO kehrte er 1997 von dessen Firma NeXT zurück zu Apple und war seither an der Entwicklung von OS X und iOS maßgeblich beteiligt. Allerdings wurden ihm auch schwierige, Jobs-ähnliche Charakterzüge nachgesagt, die zuletzt sogar dazu geführt haben, dass sich hochrangige Apple-Mitarbeiter wie Phil Schiller und Jony Ive geweigert haben sollen, mit ihm in einem Raum zu sein, so lange nicht auch Tim Cook anwesend war. Sein Auftreten habe Insidern zufolge immer mehr dem von Steve Jobs geähnelt, was wohl auch seinen Abgang beschleunigt haben soll. So schreibt Om Malik recht treffend "Forstall forgot he was Steve’s guy, not Steve Jobs."

Und so sieht es immer mehr danach aus, als sei Scott Forstall nicht von sich aus gegangen, sondern mehr oder weniger gefeuert worden, wie auch John Gruber glaubt. Die Gründe dafür seien vielschichtig. Neben seinem bereits angesprochenen schwierigen Charakter soll es vor allem auch designtechnisch nicht mehr zwischen ihm und dem Rest von Apple gepasst haben. Während Forstall ein Verfechter des sogenannten Skeuomorphismus ist, steht sein direkter Nachfolger in Sachen UI-Design, Jony Ive, eher für klares, minimalistisches Design. Erst im vergangenen Monat gab es Berichte über Apple-interne Streits hinsichtlich des Skeuomorphismus-Designs. Dabei werden reale Elemente auf die digitalen Geräte übertragen. Beispiele hierfür sind das in nachgestelltes Leder gefasste Adressbuch und die Wo sind meine Freunde App oder auch die Bücherregale in der iBooks- oder iTunes U-App.

Nicht zu unterschätzen sind auch die letzten Fehlschläge in iOS, die Scott Forstall zu verantworten hat, mit Namen Siri und die neue Karten-App. Speziell letztere soll das Fass zum überlaufen gebracht haben. Tim Cook sah sich gar genötigt, einen offenen Brief auf die Apple-Webseiten zu setzen, in dem er sich für die Unzulänglichkeiten der App entschuldigt. Laut Fortune sollte auch Forstall diesen Brief unterzeichnen, weigerte sich jedoch dies zu tun.

Alles in allem wird immer klarer, dass Scott Forstall nicht mehr in das Apple, welches nun von Tim Cook geleitet wird, passt. Manche sehen ihn gar als Hindernis bei der Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens. In diesem Zusammenhang wird dann auch die Überschrift von Apples Pressemitteilung klarer, in der man ankündigt, durch die Umstrukturierung eine engere Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Hardware, Software und Services zu fördern. Die in diesem Sinne zweifellos gravierendste Änderung ist der größer gewordene Einfluss von Jony Ive auf das User Interface der Apple-Software. Dieser dürfte sich bereits in relativ kurzer Zeit auswirken. Ich bin schon jetzt, kurz nach der Veröffentlichung von iOS 6 mächtig gespannt, wie sich das mobile Betriebssystem unter dem Einfluss von Jony Ive im kommenden Jahr verändern wird. Die ersten Schritte auf dem Weg dorthin könnten sich auch bereits in einer eventuell Anfang des Jahres erscheinenden Vorabversion des nächsten großen OS X Updates zeigen.

Die beiden kritisierten iOS-Funktionen Siri und Maps werden künftig von Eddy Cue verantwortet, der bereits das MobileMe-Disaster durch das unter seiner Leitung stehende iCloud einigermaßen ausbügeln konnte. Cue ist ein Apple-Veteran, der bereits gezeigt hat, dass er derlei Probleme beheben kann. Auch hier ist also in Kürze mit den ersten sichtbaren Veränderungen zu rechnen.

Innerhalb des Unternehmens soll die allgemeine Stimmung ob des Weggangs von Scott Forstall überwiegend positiv sein. Gegenüber der New York Times soll sich ein Informant zu der Aussage hinreißen gelassen haben, "This was better than the Giants winning the World Series. People are really excited."

Apple hat die Veröffentlichung der Informationen übrigens mal wieder ziemlich clever gelegt. Während am gestrigen Tage nicht nur neue Android-Produkte von Google vorgestellt wurde, sondern auch noch Windows Phone 8, zog die Nachricht über das Aus von Scott Forstall deutlich mehr Aufmerksamkeit auf sich. Und nicht nur das. Durch den Hurrikan "Sandy" wurde an der New Yorker Börse gestern der Handel ausgesetzt. Sicherlich hätte die Pressemitteilung Auswirkungen auf den Kurs gehabt. Nun können sich alle erstmal beruhigen, bevor der Handel wieder beginnt. Ähnlich hatte man auch seinerzeit bei der Mitteilung verfahren, dass Steve Jobs sein Amt als CEO abgibt.

Bei all dem sollte man aus meiner Sicht jedoch eines nicht vergessen. Scott Forstall hat einen sehr großen Anteil am Erfolg von iOS. Letzten Endes war er es, der dieses System zum besten derzeit  verfügbaren mobilen Betriebssystem gemacht hat. Man hatte allerdings in der Tat bei den letzten beiden Versionen den Eindruck, als habe die Entwicklung ein wenig stagniert und als würde die Kritik langsam aber sicher die Begeisterung überlagern. Insofern darf man gespannt sein, wo die Reise von Apples wichtigster Plattform für die Zukunft unter Craig Federighi und Jony Ive hingehen wird.

Trackbacks

chanlu.square7.ch am : PingBack

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Flo's Weblog | Apple News and more... am : Kommentar: Das Problem mit den iOS 7 Wunschlisten

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Das Jahr ist noch verhältnismäßig jung und dennoch erscheinen bereits die ersten Artikel zum Thema iOS 7. Dass dieses Update in diesem Jahr kommen wird, ist wohl unbestritten. Ebenso unbestritten dürfte sein, dass sich dabei auch die ersten Auswirkungen d

Flo's Weblog | Apple News and more... am : Kommentar: Die Skeuomorphismus-Diskussion

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Schenkt man einem Bericht aus dem vergangenen September Glauben, war das Thema Skeuomorphismus, also das Übertragen von Designs aus der realen Welt auf Software in digitalen Geräten, ein heikles Streitthema in der Führungsetage von Apple. Während unt

Kommentare

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Unilife am :

Think different ....

and go away!

Mir scheint als wolle Apple die letzte Leitfigur (Jobs) und alles was damit verbunden war, mit aller Macht demontieren. Nur die Marke zählt?!

Ein Andenken ohne Denkmal.

sAsChA am :

Tja, Hochmut kommt vor dem Fall.

Archetim am :

Ein sehr fundierter Kommentar, Flo.

Benny am :

Die gute alten Zeiten, mit Steve Jobs, sind leider vorbei.

airwolf am :

Ich selber habe keine persönliche Bindung zu den einzelnen Mitarbeitern von Apple. Aus diesem Grund ist ein solche Personalentscheidung, wenn auch einschneidend ok. Gerade dann, wenn eine oder mehrere Personen den "Geschäftsbetrieb" stören oder behindern.

Es muss immer weiter gehen. Lassen wir uns überraschen!

Jesper Bliesener am :

Ich bin auch sehr gespannt was Jonny einbringen kann um iOS neu wirken zu lassen. Aber alles was Jonny anfässt wird perfekt...

Aviator am :

Was hinter den Kulissen wirklich läuft wird nie publik gemacht - von daher sollte man mit Meinungen und Verurteilungen sparsam umgehen. Ich habe gelernt, nichts und niemanden zu verurteilen zu dem ich keinen direkten Bezug habe bzw. die wahren Hintergründe nicht kenne. Manches erscheint uns im Alltag irrsinnig. Werden uns jedoch die tatsächlichen Hintergründe erklärt, sehen wir auch in zunächst sinnlosem einen Sinn.

Was diese Änderung bei Apple bewirkt und was letztendlich der Kunde davon haben wird, werden wir frühestens in einem Jahr sehen. Bis dahin werden sich die Wogen glätten. Vergessen wir nicht - neue Besen kehren am Anfang immer gut...

Can am :

Am Anfang war ich skeptisch, was Scott Forstall angeht. Aber dann hab ich gelesen, dass Johny Ive seinen Platz einnimmt. Kann ich nur befürworten! Johny ist ein Gott!
Ahja, der neue Ziffernblock ist so hässlich! Ich will den alten wieder haben!! -.-
Aber da tut sich jetzt bestimmt bald wieder was. Zum glück :)

flo3001 am :

Ich persönlich mag iOS 6 aufkeimen fall und habe ( wie 2 weitere freunde) eine woche nach der veröffentlichung wieder auf iOS 5 downgegradet . Und so hoffe ich auch das iOS 7 mit neuer Leitung positive Änderungen mitbringt :)

Angelika am :

Der Artikel von Flo ist klasse geschrieben - und macht es gleichzeitig für den Laien doch schwierig sich zu entscheiden, ob die Richtung gut ist oder nicht.

Bezeichnend ist der Satz - er war SJ´s Junge - aber er vergaß das er nicht SJ ist.
Das wäre wirklich eine schlechte Einstellung von Scott Forstall.
Aber genauso schwierig sehe ich eine komplette Demontage all dessen was SJ implementiert hat. Das hat Apple nämlich schon mal gemacht und ist damit böse auf die Nase gefallen.

Ich persönlich empfinde auch TC als ein wenig zu Harmoniesüchtig -- sei es im Team wie auch in der Öffentlichkeit wenn jeder Kritikfurz erstmal in einem Statement endet. Da war SJ´s Härte sicher unbequem, aber erfolgreicher.

Wir werden nicht ändern können, was bei Apple hinter den Kulissen abläuft. Bleibt abzuwarten, wie vielleicht in einem Jahr das Ergebnis dazu aussieht.

Man spürt mehr und mehr, dass es nicht mehr das Apple des Steve Jobs sein wird -- und ich wage nicht zu sagen, ob das für Apple nun gut oder schlecht endet. Bin aber skeptisch was die Tendenz zu gut angeht.

Chris am :

In einem deutschen Unternehmen mit der seit Jahren wohl besten und verantwortungsvollsten Firmenkultur gilt "Der Fisch fängt am Kopf zu stinken an".

Das merkt/riecht man seit Steves Fehlen zunehmend bei Apple - auch als dummer IOS Anwender sehr deutlich!

Ob Apple noch die Kraft hat, das Ruder wieder herumzureißen, wird die Zukunft zeigen...

Danke Flo für den Bericht!

mekkie am :

Chris - Ob Apple noch die Kraft hat, das Ruder wieder herumzureißen, wird die Zukunft zeigen...
Warum herumreissen? Apple geht es absolut hervorragend! Jetzt sind die Weichen gestellt worden für die Zukunft. Ich denke eine gute Entscheidung...
man wird sehen.

Robin am :

Zum Beitrag:
Für mich klingt der Kommentar so spekulativ, daß man mit reinen Spekulationen nicht den Ruf eines Menschen angehen sollte.
Das liest sich ja wie das Getuschel am Schulhof. (der hat gesagt, laut dem soll es so sein, usw...)

Das ist aus "meiner Sicht" kein qualitativer Kommentar sondern geht "für mich" schon eher an kollektive Rufschädugung ohne jegliche 100%tige Fakten.

Sorry wenn das bei mir so ankommt, aber das wollte ich mal gesagt haben.

John Milton am :

Sehr guter und informativer Artikel. Vielen Dank hierfür!

Pom am :

I Love John Ive!!!

Pom am :

*Jony Ive

Jaype am :

TC ist ein Sozialversicherungs FachAngestellter der zum Lachen in den Keller geht. SJ hätte sich nie für Maps entschuldigt. Er hätte gesagt, fährt nicht dahin wo die Karten nicht stimmen. Ich werde Scott Fo rsdall beobachten. SJ wurde auch geschasst und kam gestárkt wieder. Wenn Apple wieder kurz vor dem Zusammenbruch ist und TimCook keine Erklärung mehr dafür findet warum niemand einen gebrauchten Tampon haben will, wird Scott Forsdall darauf scheißen was wir wollen oder was richtig wäre. Er wird machen was er denkt und wir werden ihn lieben.

Anonym am :

An den Verkaufszahlen gemessen müsste Android das Beste Betriebssystem sein, oder?

Tiem am :

Ja aber auch nur da android auf jedem billigerem handy läuft z.b.samsung galaxy ace für 140€
Ios aber nur auf iphones die deutlich teurer sind

Wolfgang am :

Ich finde die Übernahme von Mitteln aus der Offlinewelt inkonsequent. Das Iphone/ Ipad sollte unseren Umgang mit diesen Mitteln revolutionieren, dazu passen Bücherregale und Ledereinband einfach nicht. Am schlimmsten finde ich da den Gamecenter. Absolut gruseliges UI.

hmdeike am :

Da ich niemanden bei Apple persönlich kenne, ist mir eigentlich völlig wumpe, wer da gerade welche Funktion inne hat. Als simpler User würde ich mich nur freuen, wenn man auf Fragen auch mal klare Antworten bekäme. Wenn JI so toll ist, soll er uns doch bitte mal erklären, warum man einige Apps quasi "zwangsverpasst" bekommt, obwohl man die weder braucht, noch haben will. Ich spreche hier von Aktien-, Wetter-, Passbook-, Notizen- und Erinnerungen-App. Nicht zu vergessen das Game Center. Die kann man aber alle wenigstens noch in einem Ordner "verstecken", während der dusselige Zeitungskiosk noch nicht mal das erlaubt. Mal ganz ehrlich: Wer liest Zeitung auf dem iP?

papa's freezeria am :

Ich kenne keinen der einzelnen Apple-Mitarbeiter persönlich. Aus diesem Grund ist es akzeptabel, eine so schwerwiegende Personalentscheidung zu treffen.

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