Apple ist heute nicht mehr das Apple, das es noch vor 15 Jahren war. Damals wurde das Unternehmen noch von Steve Jobs geleitet, während sein kongenialer Partner und Design-Guru Jony Ive für das ikonische Design der Apple-Produkte verantwortlich war. Nach dem, Tod von Steve Jobs im Jahr 2011 übernahm der ehemalige COO Tim Cook die Position des CEO und führte das Unternehmen zu ungeahnten Höhenflügen an der Börse und machte es zum wertvollsten Unternehmen der Welt. Ende 2019 verließ dann auch Jony Ive Apple, womit die beiden über Jahre hinweg prägenden Figuren des Unternehmens nun nicht mehr in Cupertino am Ruder sind.
Für viele Beobachter hat Apple hierdurch seine Seele verloren. Und genau dies ist auch der Untertitel eines neuen Buchs des Technologie-Journalisten Tripp Mickle. Dessen Werk "After Steve: How Apple Became a Trillion-Dollar Company and Lost Its Soul" wühlt derzeit eine Menge Staub auf, nachdem Auszüge daraus in der New York Times erschienen sind. Vor allem wird dabei auf den angeblichen Spannungen zwischen Tim Cook und Jony Ive herumgeritten, die letzten Endes zum Abschied der Design-Ikone geführt habe. Ein Ansatz, der aus meiner Sicht deutlich zu kurz gegriffen ist.
Im Zentrum dieser Auseinandersetzung steht vor allem die Markteinführung der ersten Apple Watch, die Ive gerne als Fashion-Produkt auf dem Markt positionieren wollte, was zunächst auch so geschah. Hierfür wurde einst auf Geheiß von Ive eine im Stil einer klassischen Modenschau aufgezogene Veranstaltung in einem extra dafür angeschafften und 25 Millionen Dollar teuren Zelt durchgeführt. Schon damals zweifelte Apples Marketing-Team an der Sinnhaftigkeit dieser Aktion. Tim Cook allerdings stimmte zu, da er bereits damals den Abgang von Ive befürchtete und damit auch einen Verlust des Marktwertes seines Unternehmens.
Für Ive hingegen war die Modenschau-Einführung der Apple Watch ein Phyrrus-Sieg, von dem er später berichtete, dass er erstmals nicht die Unterstützung des Unternehmens bei seinen Ideen verspürte. Dabei muss festgehalten werden, dass die Kritiker von Ives Idee, die Apple Watch als Mode-Accessoir zu positionieren, Recht behalten sollten. Der Erfolg von Apples Smartwatch stellte sich erst ein, als man sie mehr als Fitness- und Gesundheits-Gadget positionierte. Ive hingegen hatte durch den Tod von Steve Jobs seinen größten Fürsprecher und auch eine Art Vaterfigur verloren.
All dies führte dazu, dass man bei Apple ungewöhnliche Wege ging, um Ive an das Unternehmen zu binden. So wurde er in die Rolle des "Chief Design Officers" gehievt, in der er nicht mehr nur für das Hardware-Design, sondern auch für die Software und sogar die Gestaltung des Apple Park verantwortlich war. Die Aufsicht über eine mehrere hundert Personen großes Team zermürbte Ive schließlich, bis er Ende 2019, nach der Fertigstellung des Apple Park, die Reißleine zog und Apple verließ.
Die Schlussfolgerung, dass Apple zwar zum wertvollsten Unternehmen der Welt aufstieg, dabei aber seine Seele verloren habe, kann ich dabei wie gesagt nicht teilen. Ja, wenn man es romantisch betrachten möchte, war Apple "sympathischer" unter Steve Jobs und Jony Ive. Es waren aber auch andere Zeiten. Apple war der Underdog auf dem Technologie-Markt. Eine Position, die sich spätestens mit dem iPhone in eine andere Richtung gedreht hat. Seither fand eine Weiterentwicklung statt, die nicht nur unumgänglich, sondern auch wichtig für das Unternehmen war. Tim Cook ist nicht Steve Jobs. Das wollte er auch nie sein. Und das ist gut so. Ob man die Entwicklung persönlich gut findet oder nicht, ist dabei völlig irrelevant. Apple ist das wertvollste Unternehmen der Welt. Punkt. Die Produkte verkaufen sich weiter wie geschnitten Brot und nichts anderes ist aus unternehmerischer Sicht wichtig.
Ja, die Underdogs sind immer die Publikums-Lieblinge. Das ist beispielsweise auch im Fußball so. Nicht ohne Grund dürfte ein Großteil von Fußball-Deutschland im DFB-Pokalfinale auch eher auf Seiten des SC Freiburg als der von RB Leipzig stehen.. Rational betrachtet soll aus der neutralen Sicht aber am Ende einfach der gewinnen, der es verdient hat. Schon Trainer-Legende Otto Rehagel wurde in den letzten Jahren seiner Karriere dafür kritisiert, dass er keinen modernen Fußball spielen ließe. Seine Antwort: "Was ist moderner Fußball? Moderner Fußball ist, wenn man gewinnt." Und genau das gilt auch für Apple und die Entwicklung in den vergangenen Jahren. Andere Meinungen hierzu sind natürlich erlaubt.
Das Buch "After Steve: How Apple became a Trillion-Dollar Company and Lost Its Soul" erscheint hierzulande am 12. Mai und kann über den folgenden Link zum Preis von € 14,71 bereits bei Amazon vorbestellt werden: After Steve: How Apple became a Trillion-Dollar Company and Lost Its Soul